Marta Piekarska ist Wirtschaftsdirektorin von Hyperledger, einem Blockchain-Open Source-Projekt, das von der Linux Foundation gestartet wurde. Sie studierte Informatik an der Universität Warschau und der Technischen Universität Berlin. Im Interview erzählt sie uns, wie Unternehmen und Regierungen aus Blockchain-Baukästen eigene Netzwerke erstellen – für Lieferketten, Grundbücher und die Medizin.
Build your own Blockchain
Die Hyperledger-Anwendungen für Business-Blockchains
- Was ist Hyperledger?
- Hyperledger ist ein Open-Source-Projekt, das von der Linux Foundation gehostet wird. Das Ziel ist es, eine Community aufzubauen, um an für Unternehmen geeigneten Blockchains zusammenzuarbeiten. Bei uns sind momentan 250 Unternehmen als Mitglieder registriert – von Airbus über Daimler bis hin zu kleinen Start-Ups. Private Mitglieder gibt es nicht, aber da es ein Open Source-Projekt ist, kann natürlich jeder am Code mitwirken.
- Welche Blockchain-Frameworks (Baukästen für Blockchain-Anwendungen) bietet Hyperledger an?
- Die beiden Frameworks, die am besten ausgereift sind, sind Fabric und Sawtooth. Sie waren auch schon beim Start des Projektes dabei. Fabric ist eine sehr flexible Plattform für den Bau von Distributed Ledgers. Es wird in vielen Branchen eingesetzt: Zuliefererketten, Produktion, Finanztechnologie und so weiter. Auch Sawtooth ist sehr modular aufgebaut und erlaubt es, den Konsens-Algorithmus selbst zu wählen, die Standardeinstellung ist Proof of Elapsed Time [erklärende Antwort unten]. Sawtooth wird hauptsächlich für Lieferketten und Zulassungsverfahren in der Produktion verwendet, aber auch von Banken genutzt. Hyperledger Borrow, Indy und Iroha sind noch relativ neu und der Code ist noch nicht so ganz ausgereift. Hyperledger Indy ist jedoch für die Entwicklung dezentraler Identitäten vorgesehen und wird von Regierungen genutzt. Iroha ist ein System, das sehr nutzerfreundlich und für die mobile Nutzung optimiert ist, es wird beispielsweise im Finanzsektor für mobile Zahlungen verwendet.
- Welche Regierungen nutzen Hyperledger Indy?
- Wir haben ein Projekt mit der Regierung von British Columbia und eines mit den Philippinen. Für die Philippinen wurde ein System zur Legitimationsprüfung von Bankkunden entwickelt. Momentan haben nur 44 Prozent der Menschen dort ein Bankkonto, weil der sogenannte “Know your client”-Prozess, also die Identifizierung von Neukunden zur Verhinderung von Geldwäsche, so schwerfällig ist. Indy bietet dafür eine Lösung.
- Wie funktioniert der Proof-of-Elapsed-Time-Algorithmus?
- Es ist ein Konsens-Algorithmus, der wie eine Lotterie funktioniert, bei der für jeden Teilnehmer einer zufällige Wartezeit vergeben wird, bis er die Blockchain bearbeiten kann. Jeder Teilnehmer hat die gleiche Chance, diese Lotterie zu gewinnen. Die Person, die gewinnt, ist diejenige, die rein zufällig am kürzesten warten muss, bis sie einen Block schreiben darf. Statt wie bei Proof of Work zu fragen “Wie viel Energie kannst du in die Lösung eines Rätsels stecken?”, wird denjenigen ausgewählt, der am wenigsten Zeit braucht, um eine Aufgabe durchzuführen. Dazu muss der Prozess aber natürlich insgesamt vertrauenswürdig sein, in dem die Lotterie abläuft. Diese Prozess-Umgebung wurde von Linux entwickelt und läuft momentan nur auf Intel-SGX-Chips. Den Algorithmus gibt es momentan daher nur auf zugriffsbeschränkten Blockchains, es ist aber durchaus möglich, ihn auch auf offenen Blockchains zu verwenden.
- Was habe ich als Privatunternehmer davon, eine Blockchain anstatt eines zentralen Systems zu verwenden?
- Eine Blockchain kann mit einer zentralen Datenbank eigentlich nicht verglichen werden, die Anwendungsfälle sind sehr unterschiedlich. Einer der größten Vorteile ist, dass die Transaktionen von verschiedenen Parteien, also selbstverständlich auch verschiedenen Unternehmen, validiert und gesichtet werden können. Eine Blockchain ist beständiger und sicherer als ein zentrales System. Die Unveränderlichkeit sorgt für großes Vertrauen bei den verschiedenen Parteien. Daten können einheitlich und sicher aufbewahrt werden. Zahlungseingänge sind einfach zu prüfen und zwischen Bestellung und Zahlungseingang vergeht viel weniger Zeit.
- Du hattest schon Airbus und Daimler erwähnt. Welche Unternehmen, die Hyperledger nutzen, findest du außerdem erwähnenswert?
- Insgesamt haben wir 250 Mitglieder, die Zahl derjenigen, die die Frameworks nutzen, ist aber deutlich höher. Großbanken wie die britische HSBC, die niederländische ABN AMRO und die Deutsche Bank nutzen Hyperledger. Sony hat eine Referenzplattform auf Blockchain-Basis entwickelt, S&P Global nutzt Hyperledger Fabric für Erdölbestandsdaten.
- Ein paar Beispiele, wofür Hyperledger besonders gut genutzt werden kann?
- Referenzen und Beglaubigungen funktioniert besonders gut. Die Hyperledger-Blockchains sind üblicherweise öffentlich, aber zugangsbeschränkt. Das heißt, dass die Einträge jeder lesen kann, aber nur bestimmte Personen Schreibrechte haben. Ein anderes gutes Anwendungsbeispiel sind Grundbücher, die Nachverfolgung von Grundbesitz. Medizinische Unterlagen und Versicherungsansprüche können auch sehr gut über Blockchains verwaltet werden. Mehrere unserer Mitglieder aus der Gesundheitsbranche bauen Anwendungen, um entweder Fälle zu verwalten oder Gesundheitsdaten zwischen Ärzten oder Krankenhäusern hin- und herzuschicken. In der Finanzbranche werden Blockchains in Schlichtungsverfahren und für Legitimationsprüfungen eingesetzt.
- Wo steht Hyperledger in fünf Jahren?
- Das ist natürlich schwer vorherzusagen, weil Hyperledger von der Community gestaltet wird, wir haben darüber keine Kontrolle. Es wird natürlich eine Menge neuer Projekte geben und ich hoffe, dass sich mehr Personen und Unternehmen beteiligen, auch an der Weiterentwicklung des Codes.
Titelbild von Inês Pimentel on Unsplash.