Blockchain macht reich, schön und sexy. Möglicherweise nicht in dieser Reihenfolge, und Nebenwirkungen gibt es auch. Zunächst einmal scheinen Blockchains für Investoren ziemlich sexy zu sein. Bis Mai 2018 wurde schon mehr in “irgendwas mit Blockchain” investiert als 2017 – dem Jahr, in dem stolze 1,3 Milliarden Dollar in die neue Technik gesteckt wurden. Macht Blockchain schön? Die Technologie ist verblüffend logisch und aus Sicht eines Mathematikers gesehen damit auch schön – doch gibt es ein paar Schattenseiten, die gar nicht toll sind. Und reich? Ja, es gibt ein paar neue Millionäre, ein paar Start-Ups mit dickem Finanzpolster und die Zukunftsverspechen sind auch rosig, aber es gibt auch schon einige, die viel Geld in den Wind schreiben mussten. Abgezockt, betrogen, verschätzt oder Pech gehabt.

Wo fängt man nun an, um das Thema Blockchain zu verstehen?

Grundlagen Blockchain

Grundkenntnisse für den Anfang

 

Wie so oft hängt es erst einmal an der Sprache: Es gibt ein paar Begriffe, die man 1. kennen und 2. auch verstehen muss. Erst dann wird klar, worum es insgesamt geht. Neben diesen Begriffen, von denen hier gleich die wichtigsten kurz erklärt werden (mehr gibt’s in den Infopunkten und im Glossar), ist entscheidend, was die Technologie verspricht – denn was da wirklich auf uns zukommt, ist noch gar nicht so klar. So gut wie alle (!!!) Projekte sind aktuell nur im Versuchsstadium und müssen erst noch beweisen, was wirklich unter der Blockchain-Haube steckt.

Also, fangen wir mal mit der Blockchain-Sprache an. Und zwar gleich mit dem dicksten Brocken, der Technik – das ist am Anfang knackig. Sinn machen die ganzen Einzelkomponenten im Zusammenspiel, daher bitte immer den Zusammenhang mitdenken. Die entscheidenden Begriffe fett:

 

Blockchain: Eine Technologie in der Informatik, bei der Informationsblöcke in einer Kette aneinander gehängt werden, daher der Name. Dabei gibt es ein paar feste Regeln, die wie Gesetze gelten. Jeder InformationsBlock ist mit dem vorherigen und dem nachfolgenden untrennbar verbunden. Das ergibt eine Kette = Chain. Der erste Block heißt Genesis Block und wie genau die weiteren Blöcke miteinander verbunden werden, folgt ein paar Zeilen später. Die Information selbst, die man in die Blöcke schreiben will, ist beliebig – bis auf ein paar Ausnahmen, die in jeden Block zwingend rein müssen.

Diese Informationsblöcke sind so verschlüsselt (Kryptographie), dass sie nicht veränderbar sind – das geht über sogenannte Hashfunktionen, durch die ein Block einen eindeutigen Fingerabdruck bekommt. Das sind mathematische Funktionen, die man auch mit Papier und Bleistift berechnen könnte – Computer sind halt viel schneller, deshalb lässt man das besser die machen.

Und wie hängen die Blöcke zusammen? Der berechnete Hashwert = Fingerabdruck von Block A wird in Block B neben all der Information, die man in B speichern will, gespeichert. Der Fingerabdruck von Block B enthält also neben dem eigentlichen Inhalt auch den Fingerabdruck von Block A. Ein folgender Block C enthält dann auch den Fingerabdruck von B und damit auch indirekt den von A. Wird Block A irgendwie verändert, dann ändern sich auch Block B, Block C und alle folgenden. Es reicht also, den aktuellen Block zu überprüfen, um eine Manipulation der Blockchain zu erkennen. Die Überprüfung eines Hashwerts erfolgt innerhalb von Millisekunden. Das alleine ist nicht sonderlich revolutionär (gibt’s in der Informatik und der Mathematik schon ewig) und auch nicht sicher – denn theoretisch kann man ja auf Block A etwas ändern und alle nachfolgenden Blöcke dann auch.


Damit das nicht so einfach ist, wird eine Hürde eingebaut: Der sogenannte ProofofWork-Algorithmus (es gibt noch andere Algorithmen, Proof of Work war der erste, daher hier beschrieben). Um den nächsten Block einer Blockchain schreiben zu dürfen, muss ein Computer eine Aufgabe lösen. Die ist so aufwändig, dass auch ein sehr schneller Computer eine ganze Weile braucht – also viel Rechenleistung für eine gewisse Zeit einsetzen muss. Das wird Mining genannt, einfach weil (Rechen-)Arbeit dazu führt, dass man einen neuen Block in die Blockchain schreiben darf und eine Belohnung in Form von Kryptowährung bekommt. Der ursprüngliche Gedanke geht auf das Schürfen von Gold zurück.

Im Detail schreiben die Regeln einer Blockchain vor, dass der Hashwert eines Blocks eine ganz bestimmte Form haben muss – z.B. mit vier Nullen beginnt. Das wird als Difficulty bezeichnet. Um das Ergebnis der Hashfunktion so zu ändern, dass diese Vorgabe erfüllt wird, wird in den Block neben dem eigentlich Inhalt und dem Hashwert des Vorgängerblocks eine Zahl oder Zeichenfolge eingefügt, die sogenannte Nonce (Number only used once). Und der Computer probiert so lange herum, bis er eine Nonce gefunden hat, mit welcher der Hashwert des neuen Blocks die Vorgaben der Blockchain erfüllt. Deswegen ist es sehr aufwändig, Blöcke der Blockchain zu schreiben – und dadurch wird auch die Manipulation eines Blocks sehr aufwändig. Denn diese Arbeit fällt in allen folgenden Blöcken auch an. Und dafür benötigt man dann jedes Mal so viel Rechenleistung. Es ist wie ein Sicherheitsschloss, das man mit etwas Aufwand knacken kann, hinter dem aber wieder und wieder ein Schloss ist. Man muss es für jeden Block wieder knacken. Das macht jede Manipulation sehr arbeitsintensiv – die Investition in die Rechenleistung, die für das Knacken all der Schlösser notwendig wäre, lohnt sich nicht. Auch, weil eine Kryptowährung, die so angegriffen würde, ihren Wert verlieren würde.

Und: Für das Mining bekommt der Computer(besitzer), der der schnellste beim Lösen der Aufgabe (Difficulty) ist und deshalb den neuesten Block schreiben darf (dazu mehr weiter unten), eine Belohnung in Form von Kryptowährung. Bei der Bitcoin-Blockchain, der ersten dieser Blockchains, dauert das Mining (Lösen der Aufgabe) eines neuen Blocks etwa 10 Minuten und der Miner bekommt aktuell 12,5 Bitcoins (plus Transaktionsgebühren). Die Miner schreiben dabei meist, außer der Nonce, gar keine eigene Information in die neuen Blöcke auf die Blockchain, sondern erhalten die Inhalte, die Informationseinheiten, von Anderen.

So eine Blockchain kann auch jeder selbst auf seinem Computer erstellen – der eigentliche Clou ist aber, dass eine Blockchain exakt gleich auf ganz vielen Computer gespeichert und fortgeschrieben wird. Diese Computer bilden ein dezentrales, verteiltes Netzwerk, was im Fachjargon Distributed Ledger Technology (DLT) genannt wird. Jeder Computer speichert in so einem Netzwerk alle Informationen. Das hat den Vorteil, dass es nicht so schlimm ist, wenn mal einer oder auch ein paar der Computer kaputtgehen oder von Hackern angegriffen werden. Die anderen funktionieren ja noch und sobald die kaputten Computer wieder laufen oder der Hackerangriff vorbei ist, holen sich diese Computer aus dem Netzwerk den aktuellen Status. Alle Computer haben nämlich eine Kopie der gesamten Blockchain und überprüfen laufend, ob die Hashwerte (die Fingerabdrücke) noch stimmen. Außerdem versuchen alle auch die mathematische Aufgabe, den Proof of Work, zu lösen, um die Belohnung zu bekommen – und zwar im Wettstreit: Wer den Proof of Work als Erster löst, darf den nächsten Block schreiben und erhält dafür die Mining-Belohnung.

Alle an diesem Netzwerk teilnehmenden Computer (die sogenannten Nodes = Knotenpunkte) finden in einem automatischen Prozess einen sogenannten Konsens/Consensus – übersetzt eine Übereinkunft. Sie einigen sich über einen Algorithmus (hier erklärt), welcher Computer den Wettstreit gewonnen hat und damit darüber, wer den neuen Block schreibt, an die Blockchain anhängt und an alle teilnehmenden Computern verteilt, die ihn ebenfalls an die Blockchain anhängen und ebenfalls verteilen. Die Blockchain setzt sich fort, ist auf allen teilnehmenden Computern gleich und damit sehr sicher gegen Manipulation gesichert – ein Angreifer müsste nämlich für jeden Block den Proof of Work durchführen und dann auch noch auf allen Computern des Netzwerks seine manipulierte Version der Blockchain speichern. Das ist bei den großen Blockchains noch nie passiert.

 

Das ist alles recht abstrakt und da raucht einem schon mal der Kopf. Versuchen wir ein Beispiel:

Daniel Düsentrieb hat eine Idee für eine Zeitmaschine, aber gerade keine Zeit, um sie zu bauen. Also schreibt er die Idee schnell auf und da er sicher gehen will, dass er beweisen kann, dass er die Idee genau jetzt hatte, will er sie auf einer Blockchain mit einem Zeitstempel speichern – dafür berechnet er mit einer Hashfunktion einen Hashwert des Ideenpapiers, um diesen Hashwert als Informationseinheit auf einer Blockchain zu speichern. Das Originaldokument möchte er nicht direkt auf der Blockchain speichern, denn dann könnte jeder sein Ideenpapier nachlesen. Stattdessen speichert er das Originaldokument in einem digitalen Tresor in den Schweizer Alpen.

Düsentrieb schickt den Hashwert seines Ideenpapiers an ein dezentrales Computer-Netzwerk, das eine Blockchain betreibt. Das kostet eine kleine Transaktionsgebühr, aber nur ein paar Euro-Cent. Die Euro hat er vorher in eine Kryptowährung umgetauscht, denn nur mit der Kryptowährung kann er die Transaktionsgebühr begleichen.

Ein Miner des Netzwerks gewinnt den Wettstreit um das Schreiben des nächsten Blocks – dafür nimmt er den Hashwert des Vorgängerblocks und den Hash des Dokuments von Daniel Düsentrieb. Das kombiniert er mit einer Nonce, um den Vorgaben der Blockchain entsprechend einen Hashwert für den neuen Block zu finden. Ist das geschafft, wird der neue Block in die Blockchain geschrieben – inklusive des Hashwerts von Daniels Ideenpapier. Das Netzwerk registriert natürlich genau, wann dieser Block geschrieben wurde – er bekommt einen Zeitstempel. Und es folgen noch viele weitere Blöcke und alle werden auf alle Computer des Netzwerks verteilt, wodurch der Eintrag extrem sicher gespeichert ist.

Irgendwann später ist Kater Carlo bei Düsentrieb eingebrochen und hat das Ideenpapier geklaut – er meldet ein Patent für die Ideen dieser Zeitmaschine an. Für Daniel Düsentrieb ist es jetzt sehr einfach zu beweisen, dass er die Idee schon vorher hatte und Carlos Patent daher nicht gültig ist. Er muss nur auf den Block mit dem Hashwert seines Ideenpapiers auf irgendeinem der Computer des Netzwerks verweisen. Das Ideenpapier kann er aus dem digitalen Tresor holen, erneut durch die Hashfunktion den Hashwert berechnen und da es das identische Dokument ist, wird der exakt gleiche Hashwert erzeugt, der auch auf der Blockchain gespeichert wurde. Mit absoluter Sicherheit kann er beweisen, dass der Hashwert seines Ideenpapiers und der Block nicht manipuliert wurden, inklusive der Information, wann er geschrieben wurde. Kater Carlo bekommt sein Patent nicht und wird auch noch wegen Ideenklau verurteilt.

 

That’s it, folks

Das ist, ganz grob, die Blockchain-Technologie. Warum viele Menschen nun so aufgeregt deswegen sind, liegt an den Informationen, die man auf so einer Blockchain speichern kann. Denn die sind unveränderlich und ja, das ist manchmal ein Problem. Etwa bei Fehlern oder personenbezogenen Daten, die in unserem Rechtssystem besonderen Schutz genießen.

Außerdem benötigt man niemanden mehr, dem man vertrauen muss. Das Vertrauen stellen die Mathematik kombiniert mit der Technologie her – ein System, das sich konstant und transparent selbst überprüft. Ein sogenanntes Trustless System – ein System, das ohne Vertrauen im klassischen Sinne auskommt, da die Computer des Blockchain Netzwerks jede Manipulation sofort erkennen und sie daher nicht möglich ist.

Mit den neuesten Blockchains kann man noch ein wenig mehr machen, nämlich kleine Computerprogramme auf der Blockchain laufen lassen. Das nennt man dann Smart Contract. Die Blockchain, auf der solche Programme zum ersten Mal gelaufen sind, heißt Ethereum. Das eröffnet weiter Möglichkeiten, denn es können nicht nur Informationen gespeichert werden, sondern auch Handlungen ausgeführt werden, z.B. eine Firmenorganisation in fest vorgegebenen Prozessen festgelegt werden – DAO (Decentralised Autonomous Organisation) genannt. Davon gibt es bislang nur eine und ob die wirklich funktioniert, hat sich noch nicht abschließend erwiesen – die Strukturen sind relativ starr, aber das sind sie in großen Konzernen auch.

Ursprünglich wurden nur Finanztransaktionen auf der Bitcoin-Blockchain gespeichert (z.B.: Heinz hat 1 Bitcoin an Kurt geschickt. Kurt hat ½ Bitcoin an Anja geschickt …). Das hat sich als ziemlich praktisch erwiesen, da man so Geld fast in Echtzeit um die ganze Welt schicken kann und dafür sehr geringe Gebühren bezahlen muss. Da inzwischen aber noch viel mehr, zumindest theoretisch, möglich ist, sitzt das Geld bei Investoren für “irgendwas mit Blockchain” ziemlich locker. Keiner will den Zug verpassen – FOMO (Fear of missing out). Wer aktuell mal schnell den Wert seiner Firma steigern will, muss eigentlich nur “Blockchain” in den Namen einfügen – das hat tatsächlich schon funktioniert, Prost.

Es bricht also gerade eine sehr verrückte Zeit an – viel Hoffnung, viele Ideen, viele (selbsternannte?) Experten, viele Versprechen. Es erinnert an die frühe Zeit des Internets in den 90er Jahren. Der Hype war groß, der Absturz tief – und es dauerte ein ganzes Jahrzehnt, bis das wirklich Sinnvolle in der Gesellschaft angekommen war und wir endlich Grumpy Cat kennengelernt haben.


Titelbild Kelly Sikkema auf Unsplash.