Interview
Nathalie
Dziobek-Bepler
Nathalie Dziobek-Bepler: baukind
„Ich habe mir das früher nie vorstellen können, was es bedeutet, aus einer Krise zu wachsen“ erzählt Nathalie Dziobek-Bepler. Vor zehn Jahren hat die Architektin gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Lilia Kleemann baukind gegründet. Mit einem zwölfköpfigen, interdisziplinären Team baut das Baukind heute mit Leidenschaft Kitas, Praxen von Kinderärzt*innen, Schulen, Familienzentren, Indoor-Spielplätze … alles, bei dem es auf Architektur speziell für Kinder ankommt. Die Pandemie hat zwar das eine oder andere verändert, auch zu Umsatzeinbrüchen geführt – aber Nathalie würde nicht von einer Krise sprechen. Da gab es ganz andere. Doch was bedeutet es eigentlich, aus Krisen zu wachsen?
- Krise ganz ohne Pandemie
- „Wir schließen gerade ein dreijähriges Neubauprojekt ab; es war ein echtes Fiasko. Das letzte Jahr wurde hauptsächlich über Anwälte kommuniziert. Dieses Projekt hat uns fast 200.000 Euro gekostet , sagt Nathalie. „Das war eine meiner größten Krisen, arbeitstechnisch. Es war existenzbedrohlich für unser Büro.“ Natalie sagt, dass es kein Bauprojekt gebe, in dem es nicht irgendwann einmal Stress gibt. „Aber hier war das überhaupt nicht mehr angemessen oder im Normbereich. Als Unternehmerin operiere ich extrem gerecht und achte auf Angemessenheit – das macht mich aus. Es widerspricht total meiner Natur, wenn es überhaupt nicht mehr um das gerechte Große und Ganze geht, sondern nur noch um Wortklaubereien von Anwälten.“ Geholfen habe ihr, sich auf die entscheidenden Verhandlungen akribisch vorzubereiten. Zu einem hohen Preis: „Ich habe in der Zeit 10 Kilo abgenommen. Aber mein Anwalt war beeindruckt, wie gut ich dann auf jedes Argument vorbereitet war.“
- Aus Stresserlebnissen lernen
- Gewachsen ist Nathalie laut ihrer eigenen Einschätzung nicht an dieser Krise. „Aber die Wiederholung von arbeitstechnischen kleinen und großen Krisen hat mich über die letzten 20 Jahre widerstandsfähiger gemacht. Als ich das erste Mal einen Brandschutznachweis nicht bewilligt bekommen habe, habe ich gedacht, ich muss mich erschießen. Mittlerweile würde ich da nicht mehr mit der Wimper zucken und einfach schauen, dass ich es im zweiten Anlauf bewilligt bekomme.“ Kann man das lernen? „Natürlich hilft da die Wiederholung, aber das ist sicher auch eine Typ-Frage.“ räumt Nathalie ein.
- Trennung in der Geschäftsführung
- „Das war ein Schock. Ich habe gedacht: Mein Gott, schaff ich das überhaupt allein? Und will ich das?“ Dass die berufliche Partnerinnenschaft mit ihrer Mitgründerin auseinanderging, beschreibt Nathalie als wirklich einschneidend. Und lehrreich. „Ich bin eineiiger Zwilling. Dadurch bin ich von klein auf gewohnt, einen Spiegel zu haben und Dinge zu zweit zu machen. Wir haben die vielen tolle Sachen als Geschäftsführung immer zu zweit geplant und unternommen.“ Nathalie fehle es noch immer, dass jemand mit ihr genauso begeistert ist, etwas Neues anzugehen. Nach zwei harten Jahren der Trennung sei aber heute vieles neu und anders, so manches sogar leichter und freudvoller.
- Das Team einbeziehen, um bei sich zu sein
- Vor allem das Team ist laut Nathalie extrem an der veränderten Situationen in der Geschäftsführung gewachsen. „Vorher waren da wir beide und dann das Team. Aber dann habe ich auch klar gesagt: Ich brauche euch. Nicht nur als mentale Unterstützung – ich brauche eure Expertise. Und das auch in Geschäftsführungsthemen. Ihr müsst mich im Zweifel ersetzen können.“ Die Strategie scheint aufgegangen zu sein. Vergangenen Sommer war Nathalie – erstmals – für ganze sechs Wochen raus. „Ich wollte etwas ganz allein machen. Ich bin dann mit dem Fahrrad 1.600 Kilometer über die Alpen und durch Italien bis nach Griechenland gefahren. Das war eine tolle Erfahrung. Auch das hat einiges mit der Trennung zu tun. Ich habe gelernt, besser bei mir zu bleiben. Aber auch andere besser mit einzubeziehen. Das läuft für mich unter ‘an einer Krise wachsen’.“
- Flexibel und resilient durch Familie
- „Ich bin total froh, dass ich so ein intensives Familienleben habe.“ sagt Nathalie darüber, was ihr hilft, Krisen gut zu meistern. „Ich bin mir ganz sicher, dass mich meine Kinder resilient gemacht haben. Wenn ich alle einbeziehen möchte, dann muss ich ja mit dem umgehen, was da ist. Da kannst du zum Beispiel am Wochenende planen was du willst, wenn dann am nächsten Tag der eine Teenager bis 12 schläft und die anderen beiden ganz etwas anders vorhaben. Du hast nicht die Kontrolle über deinen Plan.“Deswegen ist Nathalie bei Baukind Familienfreundlichkeit sehr wichtig. „Nach vier oder fünf ist bei uns kaum mehr jemand im Büro. Bei uns haben fast alle Kinder und sie arbeiten als Eltern genauso gut und mit Freude. Es braucht halt mehr Flexibilität. Wir hatten daher immer schon eine gute Mischung aus Homeoffice und Präsenz. Das war also nichts Neues für uns, es wurde während der Pandemie nur noch verstärkt.“
- Ein Buch zur richtigen Zeit
- „Damit wir finanziell nicht immer so am Limit sind, wünsche ich uns für nächstes Jahr ein paar große Projekte, die das ganze Team beschäftigen.” Laut Nathalie sieht es im Moment ganz danach aus, als ob dieser Wunsch in Erfüllung gehen könnte. Doch zuvor, mit der Pandemie, seien mehrere negative Dinge zufällig zusammengekommen. Zum einen waren die Auftraggeber*innen einfach zurückhaltend, neue Projekte anzugehen, weil keiner wusste, was gerade passierte. Das war keine gute Zeit, um neue, risikoreiche Vorhaben anzugehen. Zufällig fiel das zeitlich mit Kürzungen von öffentlichen Förderungen zusammen, die für das Zustandekommen von Aufträgen ebenso essentiell sind. „Doch genau zu dieser Zeit kamen dann Aufträge herein, die wir über unser Buch generiert haben, das wir vor 1,5 Jahren geschrieben haben.“ Das Buch „Räume für Kinder“ liegt jetzt schon in der 2. Auflage vor und war „eine Heidenarbeit.“ Das Timing war ein glücklicher Zufall. Ihm Andockfläche zu geben, ist ein wesentliches Element, um unternehmerisch gut mit Krisen umzugehen.